März 17, 2023

I’m Not Scared #5

"Ich dachte, das hier wäre ein Spiel?" - Wenn Horrorgames die vierte Wand durchbrechen

Wir alle haben vermutlich schonmal einen Moment erlebt, in dem Filme, Serien oder Theaterstücke die vierte Wand gebrochen haben.
Plötzlich dreht sich beispielsweise ein Schauspieler, den wir all die Zeit dabei beobachtet haben, wie er die Handlung des Films durchlebt, um und spricht direkt zur Kamera, als ob er uns tatsächlich in die Augen schauen und sich somit an die Zuschauer:innen wenden würde.
Oft ist es ein selbstironischer oder kritischer (Meta-) Kommentar, der uns ganz gezielt darauf aufmerksam macht, was das mediale Werk uns mitteilen möchte oder dass es sich seiner selbst bewusst ist.

Zumindest für einen Augenblick geschieht also mit Absicht genau das, was die meisten Erzählmedien eigentlich vermeiden wollen: Wir werden aus der Immersion gerissen, aus dem Vergessen um die Fiktionalität des Dargestellten, um es zu reflektieren und fast schon “gezwungen”, dasselbe zu tun.
Aber nicht nur das: Das Durchbrechen der vierten Wand bezieht uns auch in das Geschehen ein, als wären wir ein Teil davon. Wir sind nicht mehr nur passive:r Zuschauer:in, sondern es entsteht die Illusion, dass wir aktiv auf diese Art von „Kontaktaufnahme“ reagieren können oder gar sollen.

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Aber wie genau sähe ein solches Durchbrechen der vierten Wand in Videospielen aus und wie können Entwickler:innen es sich zunutze machen?
Es gehört nicht viel Vorstellungskraft dazu, sich auszumalen, dass ein so direktes Adressieren der Spieler:innen insbesondere bei Horrorspielen einen ganz besonders starken Effekt hat. Denn, wenn man eins (eigentlich) nicht wollen sollte, dann, dass man in die oft grausigen Ereignisse solcher Games einbezogen wird und wir aus unserer passiven, sich sicher anfühlenden Rolle ausbrechen müssen.
Was Horror trotz des Schreckens so attraktiv macht, ist schließlich nicht zuletzt die Tatsache, dass man einen Horrorfilm jederzeit ausschalten, ein unheimliches Buch jederzeit zuklappen und ein Horrorspiel jederzeit beenden kann.
Doch was, wenn es ein Spiel schafft, uns das Gefühl zu geben, dass wir das nicht mehr können? Dass der Horror sozusagen hinter der vierten Wand weitergeht und wir nicht entkommen können?
In diesem Beitrag schauen wir uns ein paar Horrorvideospiele an, die versuchen, genau diesen Eindruck zu erwecken.

Das Spiel weiß, dass es ein Spiel ist

Das von Joshua Huges im Jahr 2016 veröffentlichten Horrorgames Archimedes verdeutlicht bereits in den ersten Minuten des Spiels, was genau dieses von anderen Vertretern des Genres unterscheidet.
Ein Chat-Fenster öffnet sich auf einem täuschend echt aussehenden Desktop und eine uns unbekannte Person sendet uns Textnachrichten, worauf wir bloß mit „Ich dachte, das hier wäre ein Spiel?“ antworten. Unser Chat-Partner bittet uns um Hilfe, involviert uns in die Lösung eines Problems, für die wir mehr über die Missetaten der Firma, für die er arbeitet, herausfinden sollen, während wir noch zögern und fragen, ob er uns stattdessen nicht lieber erklären kann, wie wir denn nun das Spiel spielen, welches wir gerade gekauft und heruntergeladen haben.

Simulacra: Pipe Dreams (2018)

Bei Simulacra: Pipe Dreams (2018) werden wir auf die Tatsache, dass wir gerade ein Spiel spielen, ähnlich unmissverständlich hingewiesen. Als Teil des Plots laden wir ein zwielichtiges Handygame herunter, welches unsere Lebenszeit stehlen möchte – wir spielen also sozusagen ein Spiel im Spiel.

Ein weiteres Exemplar ist Pony Island (2016) von Daniel Mullins Games. Hierbei wird das Spielspielen so sehr thematisiert, dass es sich schon fast um eine Parodie handelt, die Bestandteile einer typischen (Horror-) Spielerfahrung so selbstironisch darstellt, dass wir zu keinem Zeitpunkt vergessen können, dass wir immer noch wir selbst sind, die gerade direkt vom Game angesprochen werden und (im Sinne der Handlung) eine Schachfigur in dem von einem Dämonen programmierten Videospiel sind.

Besondere Glaubwürdigkeit notwendig

Um die Glaubwürdigkeit am Leben zu erhalten, müssen solche Horrorspiele deutlich mehr Überzeugungsarbeit leisten als andere.
Üblicherweise tritt bei den meisten fiktiven Werken die sogenannte Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit oder auch suspension of disbelief in Kraft – das heißt wir ignorieren sozusagen ganz bewusst jegliche Begebenheiten, die dem, was wir im realen Leben für glaubwürdig halten würden, widersprechen, damit die Handlung für uns weiterhin sinnvoll und unterhaltsam bleibt. Bei Horrorfilmen schalten wir deshalb beispielsweise nicht sofort ab, wenn die Hauptfigur allein und unbewaffnet einem besorgniserregenden Geräusch in den dunklen Keller folgt, obwohl uns das aufgrund unserer Erfahrungswerte aus dem wirklichen Leben als sehr irrational erscheint. Wir wissen, dass ein fiktiver Plot gewisse unrealistische Umstände und Verhaltensweisen benötigt, um voranzuschreiten.

Auch bei Horrorspielen, die die vierte Wand brechen und ein Bewusstsein darüber schaffen wollen, dass es sich um ein Spiel handelt, ist suspension of disbelief, wie im weiteren Verlauf dieses Beitrags deutlich werden wird, noch immer vonnöten – allerdings ist hier aufgrund der Tatsache, dass wir selbst als Spieler:in adressiert werden sollen (und nicht irgendeine fiktive Person, die vielleicht anders handeln würde, als wir), besonders wichtig, dass sowohl das Geschehen als auch die Reaktionen möglichst natürlich und nachvollziehbar sind. Der gewünschte ist Effekt dann am stärksten, wenn wir in den entsprechenden Situationen dasselbe sagen oder tun würden und wir uns nicht ständig fragen, warum wir oder die anderen Charaktere in dem Szenario sich nicht logisch (bzw. so, wie wir es aufgrund von unserer Sozialisierung gewohnt sind) verhalten.
Das führt letztendlich dazu, dass für die Erklärung der Umstände, in denen wir uns befinden, mitunter weit ausgeholt werden und für jede Eventualität (Warum rufen wir nicht die Polizei, warum schalten wir das Spiel nicht einfach aus, warum ausgerechnet wir bzw. warum kann sich nicht jemand anders um das Problem kümmern, etc.) eine passende Antwort parat liegen muss.

Sara Is Missing (2016)

Sowohl in Archimedes, als auch in Simulacra: Pipe Dreams, Pony Island und den anderen Games, die noch zur Sprache kommen werden, soll dementsprechend eine möglichst natürliche Kommunikation zwischen uns und sowohl den fiktiven Gleichgesinnten, als auch den Gegnern (meist eine böswillige, künstliche Intelligenz) via Textnachrichten repräsentiert werden.
Dabei sind die Interaktionsmöglichkeiten jedoch trotz des Realismusanspruches begrenzt und wir können entweder gar nicht entscheiden, was genau wir auf die jeweilige Message antworten möchten oder müssen aus ein paar vorgegebenen Sätzen die für uns am passendsten erscheinende Reaktionen auswählen.
Zwar sind die vorgeschlagenen Antworten/Antwortmöglichkeiten meist wirklich verblüffend nah an dem, was einem selbst in den Sinn kommt und vermutlich wirklich tippen würde, jedoch werden wir nichtsdestotrotz kontinuierlich daran erinnert, dass unsere Reaktionen auf den Versuch, die vierte Wand zu brechen, sich letztendlich doch nur in einem Rahmen bewegen können, den die Entwickler:innen uns vorgegeben haben.
Hier zeigt sich, wie schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, es ist, diese vollständige Immersion zu erreichen. Denn, obwohl ein solcher Ansatz gerade im Horrorgenre extrem viel Potenzial birgt und es natürlich für eine ganz besondere Art von Grusel sorgt, dass eben nicht versucht wird, uns vorzugaukeln, wir würden gar kein Spiel spielen, sondern das Wissen darüber Teil der Horrorerfahrung wird, ist es fraglich, wie sehr die vierte Wand wirklich gebrochen wird, wenn wir selbst nicht entscheiden können, was wir erwidern.

Found Phone Horrorgames

So auch bei sogenannten Found Phone Games, die ungefähr zu der Zeit, in der auch Archimedes erschien, massiv an Beliebtheit gewonnen haben.
Spiele wie Sara Is Missing (2016), dessen Erfolg später zur Entwicklung des Simulacra-Franchises unter Kaigan Games geführt hat, laden den/die Spieler:in dazu ein, sich der ziemlich überzeugenden Illusion hinzugeben, dass wir entweder das Mobiltelefon einer Person in Händen halten, dessen Besitzer:in in Schwierigkeiten steckt und wir wohlmöglich als Einzige:r in der Lage sind, zu helfen oder dass es sich tatsächlich um unser eigenes Handy handelt und wir auf diesem Wege in ein fiktives Szenario eintauchen, welches sich über Chats, soziale Medien und Dateien erzählt.

Simulacra (2017)

Am eindringlichsten ist eine solche Erfahrung natürlich, wenn man Found Phone Games auch wirklich an seinem Smartphone spielt und den Entwickler:innen den Gefallen tut, sich voll und ganz auf das Spielerlebnis einzulassen – denn die Atmosphäre kommt zu einem Großteil durch die uns nur allzu bekannten Medienspezifika von Handys zutage.
Wir erhalten beispielsweise die klassischen Notifications, stöbern in beeindruckend realistisch nachgestellten Versionen von Social Media-Apps wie Twitter herum, suchen in Dating-Apps nach Hinweisen und können dort sogar neue Matches (angelehnt an Tinder) finden oder schreiben/lesen E-Mails und die bereits erwähnten Textnachrichten (oder hören ggf. Sprachnachrichten ab). Bei alldem wird darauf geachtet, dass der Sprachstil natürlich wirkt, indem absichtliche Schreibfehler oder in der Altersgruppe der dargestellten Figuren (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung) oft genutzte Memes und Sprechweisen eingebaut werden.
Darüberhinaus können wir außerdem die spieleigenen Versionen von Sprachassistenten befragen, unseren Fingerabdruck zum Entsperren nutzen, Apps inklusive der typisch penetranten Werbung herunterladen oder uns Fotos und Videos in der Handy-Galerie anschauen, die ebenfalls durch künstlich hergestellte Imperfektion möglichst realistisch wirken sollen.

Bei anderen Horrorspielen, die die vierte Wand durchbrechen wollen, jedoch nicht zum Found Phone Genre gehören, wie das zuvor zur Sprache gekommene Archimedes oder auch das ebenfalls 2016 von Reflect Studios veröffentlichte Welcome to the Game, in dem wir eine fiktive Version des Deep Webs erkunden, bestehen diese Medienspezifika vor allem aus typischen Aktionen, die am Heimcomputer ausgeführt werden, das heißt der Nutzung von Browsern am Desktop zur Erforschung von Websites oder Search-Tools, die uns helfen, eine bestimmte Datei auf dem Rechner zu finden.

Horroreffekt durch versagende Technik

Grusel kommt dabei unter anderem dann auf, wenn diese allbekannten, medienspezifischen Funktionen eben nicht das tun, was sie sollen bzw. was wir erwarten, die künstliche Intelligenz etwas zu intelligent wirkt oder die Technik anfängt, zu spinnen.

simulacra-2.1

Plötzlich verzerrt der Screen, das Foto, welches als Bildschirmhintergrund fungiert, ändert sich (mehr oder weniger) subtil oder der Text, den wir eigentlich senden wollten, erscheint im Chat ganz anders.

Auch aufgrund der überwiegenden Stille (abgesehen von medienspezifischen Sounds wie Keyboard Clicks o.Ä.) in solchen Horrorspielen, wirken Jumpscares in Form von Anrufen und Sprachnachrichten inkl. lauten oder verstörenden Geräuschen umso erschreckender.

In Sara Is Missing und dem ersten Teil der Simulacra-Reihe wird die besagte Stille außerdem von vereinzelten, nicht zu antizipierenden Hintergrundgeräuschen wie beispielsweise einem Lachen oder Knarren unterbrochen, während diese bei Simulacra: Pipe Dreams dann schon so inflationär eingesetzt werden (hier wohl gedacht als unnachgiebige Stimme des Handygames, welches dort im Fokus steht und uns ständig daran erinnert, weiterzuspielen), dass der Überraschungseffekt ausbleibt.

Die Grenze zwischen Realität und Spiel verschwimmt

Archimedes könnte trotz einiger Einschränkungen das Horrorvideospiel unter den genannten sein, welches es am effektivsten schafft, die vierte Wand zu durchbrechen.
Denn was es von den anderen unterscheidet, ist, dass es sich nicht nur im Game selber abspielt, sondern wir das Spiel zeitweise verlassen müssen, um unseren eigenen Browser zu verwenden.
Wir laden mithilfe von im Spiel versteckten Hinweisen und Links, die wir dann in unseren Browser der Wahl eingeben sollen, Audio-, Video- oder Dokumentdateien auf unseren eigenen PC, nutzen Google Maps, um Koordinaten zu finden, die wir in-game benötigen, schreiben echte E-Mails mit unserem tatsächlichen Mailaccount, auf die wir auch eine (automatische) Antwort erhalten oder schauen uns ein ausschließlich für das Spiel erstelltes Video-Tutorial auf YouTube an, um in der Handlung fortschreiten zu können. 

In dieser besagten Handlung geht es bei Archimedes um einen alten, einst rein biologischen (und vermutlich außerirdischen) Virus, der zu einem Computervirus mutiert ist und nun mithilfe einer Software übermittelt werden und die Empfänger:innen töten kann.
Nicht nur wird die vierte Wand also durch den Einbezug unserer eigenen Programme gebrochen, sondern es wird uns außerdem suggeriert, dass wir als Spieler:in auch von eben diesem Virus betroffen sind und möglicherweise die Einzigen sind, die eine weitere Ausbreitung unterbinden können. 

Wir stoßen bei unserer für das Spiel nötigen Recherche zudem auf echte, unheimlich anmutende Verschwörungstheorien – eine Gemeinsamkeit, die sich unter anderem auch in Sara Is Missing, Simulacra und Welcome to the Game wiederfindet.

Welcome to the Game (2016)

In Letzterem bewegen wir uns wie bereits angedeutet illegal im Deep Web, also dem Teil des Internets, der für den standardmäßigen Gebrauch eigentlich nicht zugänglich sein sollte und für die Beschaffung von Drogen und Waffen oder für andersartige, überwiegend strafbare Inhalte genutzt wird.
Speziell sind wir in Welcome to the Game auf der Suche nach dem sagenumwobenen Red Room – einer Website, auf der man angeblich dabei zusehen kann, wie Menschen gefoltert und ermordet werden.
Unsere Aufgabe im Spiel besteht daraus, mehrere Keys (eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen) zu finden, die im Deep Web verstreut sind und uns den Zugang zum Red Room sichern.
Dazu muss der/die Spieler:in mühsam jegliche fiktionalen Internetadressen absuchen, die für das Videospiel entwickelt wurden und – abseits der Spannung, die schon durch die Prämisse, etwas “Illegales” zu tun und nicht dabei erwischt werden zu dürfen – insofern für Grusel sorgen, dass uns die Abgründe der Menschheit vor Augen geführt werden oder wir uns plötzlich auf Websites mit satanischen Symbolen wiederfinden.

Obwohl wir die meiste Zeit über auf den Desktop bzw. Browser schauen, verliert sich der Effekt der durchbrochenen vierten Wand immer dann, wenn wir uns in-game von unserem Schreibtisch entfernen, um uns vor der Polizei oder potenziellen Kidnappern zu verstecken und uns der virtuelle Raum, in dem die Spielfigur (und nicht wir) sich befindet, vor Augen geführt wird.
Zwar ist das wohl das Spielelement, welches der vollständigen Identifikation mit der Spielfigur am meisten zuwiderläuft, allerdings sorgt ein weiteres Feature dafür, dass gerade dieser Part auf andere Weise besonders immersiv wirkt: Das Spiel kann unser Mikrofron abhören und auf Geräusche mit dem Eindringen der besagten Kidnapper/Polizisten reagieren.

Welcome to the Game (2016)

Verminderung des Grusels durch komödiantischen Effekt

Bei Pony Island hingegen wirken die selbstironischen, parodierenden Spielelemente und Bemerkungen oftmals einem wirklich angsteinflößenden Effekt entgegen.

Spannung kommt durch die interessante und actiongeladene Story und das innovative Konzept definitiv auf, aber wir schmunzeln häufiger, als dass wir uns fürchten.

Gegen Ende des Spiels schafft es hingegen doch noch ein paar unbehagliche Momente, in denen wir zwangsläufig hinterfragen, was nun Teil des Games und was Teil der Realität ist: Während unsere Aufgabe darin besteht, aufmerksam auf eine bestimmte Stelle des Bildschirms zu achten, greift Pony Island auf die Daten der Platform zu, über die wir das Spiel heruntergeladen haben und simuliert eine Textnachricht eines Kontaktes, um uns abzulenken. Bis wir verstanden haben, dass diese Nachricht nicht echt war, haben wir bereits verloren, da wir automatisch unsere Augen von dem, worauf wir uns konzentrieren sollten, abgewendet haben.
Kurze Zeit später trickst es uns ein weiteres Mal aus und lässt uns in dem Glauben, unser Spiel wäre abgestürzt, wodurch wir in Versuchung geraten, es neu zu starten und so erneut zu verlieren, obwohl wir nur ein paar Sekunden warten müssen, bis die Täuschung aufgedeckt wird.

Pony Island (2016)

Die erwähnten Found Phone Games erzeugen Angst in Form des Durchbrechens der vierten Wand unter anderem indem uns, ähnlich wie bei Archimedes, vermittelt wird, das, was der Person, die ihr Mobiltelefon verloren hat, zugestoßen ist, könnte auch uns passieren.
So zeigt Sara Is Missing uns beispielsweise ein angeblich verfluchtes Video, nach dessen Betrachtung das Endgerät außer Kontrolle geraten soll – und genau das geschieht. Wir schauen uns die verstörenden Bilder an und das in-game Betriebssystem spielt verrückt, was (je nachdem wie sehr man sich darauf einlässt) das unangenehme Gefühl erweckt, wir als Spieler:in könnten nun im wirklichen Leben auch betroffen sein und hätten die Szenen vielleicht lieber nicht angucken sollen.

Darüberhinaus wird Nervenkitzel geschaffen, indem ein Countdown in Echtzeit abläuft und wir auf diese Weise immens unter Druck geraten oder wir mit einer Person chatten, die sich akut in einer Notsituation befindet und uns sozusagen live berichtet.
Dabei wirken vor allem die Pausen besonders aufwühlend, in denen unser:e Gesprächspartner:in (wie es in der Realität wohl auch stattfinden würde) etwas länger zum Tippen braucht und uns nichts anderes übrig bleibt, als voller Anspannung die drei kleinen Pünktchen zu beobachten, die eine hoffentlich baldige Antwort ankündigen.

Spielspaß inmitten des Horrors?

Abseits von all der unbehaglichen Atmosphäre und dem Versuch, die vierte Wand zu durchbrechen, bauen solche Horrorgames trotzdem auch spielbare Elemente ein.
Mit Ausnahme von Pony Island, welches eine relativ komplexe Spielmechanik vorweisen kann, bestehen diese meist, passend zur Thematik, aus Minispielen, die Hacking oder Programming nachahmen sollen. Aber auch Rätsel und in den medienspezifischen Applikationen verborgene Geheimnisse sind in allen genannten Vertretern des Genres ein nicht wegzudenkender Bestandteil der Spielerfahrung.
Während die Minispiele gerade bei Simulacra, bei dem wir zur erfolgreichen Vollendung dieser nichts weiter tun müssen, als Sätze aus Wörtern zu bilden oder Fotos wie ein Puzzle zusammenzusetzen, eher wie ein erzwungener Versuch wirken, spielbare Elemente unterzubringen, sind die Rätsel in Archimedes oder Welcome to the Game mitunter sogar so mühselig, dass der Spielspaß in Arbeit und Frustration ausartet – insbesondere dann, wenn manches nicht so funktioniert, wie es von den Entwicklern/Innen vorgesehen war und der Spielerfolg letztendlich daran scheitert.
Minispiele und Rätsel, die unter Umständen den Fortschritt verhindern, tragen natürlich eher weniger zum Durchbrechen der vierten Wand oder gar zum Horroreffekt bei – sinnvolle, durchdachte Rätsel, die sich die Medienspezifik zunutze machen, können ihn allerdings wiederum verstärken.

Wir beeinflussen den Ausgang des Spiels

Eine weitere Gemeinsamkeit solcher Videospiele sind gesellschaftskritische, oft (aber nicht nur) auf den technischen Fortschritt bezogene Themen und die Tatsache, dass wir moralische Entscheidungen treffen müssen, die zu verschiedenen Enden führen.
Oft werfen sie durch ambige Charaktere die Frage auf, wem oder was wir trauen können und richten sich so an eine Urangst des Menschen, bevor wir letztendlich dazu gezwungen werden, eine Person durch unser Misstrauen ins Verderben zu stürzen und eine andere (oder uns selbst) zu retten.
So wird uns noch mehr suggeriert, dass wir selbst aktiv am Ausgang des Geschehens beteiligt sind und unser freier Wille, sowie unsere persönlichen Werte und Sichtweisen im Gegensatz zu anderen Games den Spielhergang beeinflussen. Gerade bei Spielen, die die vierte Wand durchbrechen wollen, ist eine solche entscheidungsbasierte Handlung fast schon Voraussetzung, um den Effekt aufrechtzuerhalten – und selbstredend ist es besonders nervenaufreibend, wenn es sich um furchterregende, schreckliche Ereignisse (wie sie eben vor allem im Horrorgenre zu finden sind) handelt, die durch unsere Wahl entweder verhindert oder verursacht werden.

Nachhallender Effekt

Ein abruptes Ende scheint auch zu den wiederkehrenden Elementen der genannten Horrorgames zu gehören, wodurch der/die Spieler:in in einem Zustand von Verwirrung und Unbefriedigtheit zurückgelassen wird.
Alles andere erscheint für ein solches Spiel aber auch unpassend, denn sobald die verseuchte Software gelöscht wurde oder der Fluch uns eingeholt hat, ist das Medium, durch das das Geschehene erlebt wurde, für uns eben nicht mehr zugänglich.

Nicht zuletzt deswegen hallt der Effekt des Durchbrechens der vierten Wand in Horrorspielen meist länger nach als der anderer Vertreter des Genres. 

Wie bereits erwähnt, steht und fällt letztendlich alles damit, wie sehr wir uns auf die Erfahrung einlassen. Tun wir dies jedoch, ist es durchaus möglich, dass wir noch einige Zeit nach Beendigung eines solchen Spiels über das Geschehene nachdenken – oder zumindest darüber, wie leicht es sein kann, uns daran zweifeln zu lassen, was echt und was Fiktion ist.

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