Februar 17, 2023

I’m Not Scared #1

Wenn die Angst ausbleibt:
Das Dilemma des Horrorgenres

“Damit euch ein Medium in Erinnerung bleibt – egal ob Film, Buch oder Spiel – muss es bestimmte Gefühle erwecken. Im Genre des Horrors ist es die Angst. Diese wird auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen generiert.”

Fans von Horrorspielen kennen es...

Nach dem Konsum einer gewissen Anzahl der Gänsehaut versprechenden Unterhaltungsmedien kann einen so leicht nichts mehr schocken. Jeder Trick, an dem sich die Macher:innen bedienen, scheint bereits bekannt und die Schreckmomente wirken zunehmend vorhersehbarer. Der Beliebtheit des Genres tut dies trotz alledem keinen Abbruch und selbst für Hartgesottene geht die Suche nach der einen Ausnahme, die einem plötzlich doch wieder einen eiskalten Schauer über den Rücken jagt, unbeirrt weiter.

Aber was macht ein Videospiel eigentlich zu einem gelungenen Vertreter des Horrorgenres? Welche Spielelemente sorgen dafür, dass wir uns gruseln und welche beeinträchtigen den gewünschten Effekt? 

Um sich der Beantwortung dieser Fragen zu nähern, lohnt sich ein Blick auf die Mechaniken, gestalterische Umsetzung und Handlungen solcher Videospiele – nicht nur derer, die bei vielen Spieler:innen Angst auslösen konnten, sondern eben auch derer, die dies nicht geschafft haben. 

Five Nights at Freddy's

Five Nights at Freddy’s könnte dabei exemplarisch für ein Horrorspiel stehen, welches trotz immenser Popularität und der einstigen Innovativität des Spiels relativ schnell den Nervenkitzel verliert, den Liebhaber:innen des Genres vermutlich als Grund für ihre Faszination nennen würden.

In dem 2014 von Scott Cawthon veröffentlichten ersten Teil des First-Person Survival Horrors tritt der/die Spieler:in an die Stelle eines Sicherheitsbeamten in einer verlassenen, von feindseligen, animatronischen Maskottchen heimgesuchten Pizzeria, die er, wie der Titel anklingen lässt, fünf Nächte lang überwachen soll, um sich etwas Geld dazuzuverdienen. Es gilt, diese Nächte zu überleben und mithilfe von Point-and-Click-Steuerung die Überwachungskameras und die mechanischen Türen des Gebäudes zu bedienen, ohne dabei den Energiehaushalt aus dem Auge zu lassen. Fällt der Strom aus, führt dies zum sofortigen Tod der Spielfigur: Die blutrünstigen Roboter springen kreischend in die Kamera und bestrafen den/die Spieler:in mit einem Jumpscare, also einem buchstäblich sprunghaften Schreck – in diesem Fall infolge des unerwarteten Auftauchens des Feindes.

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Die Herausforderung, der sich ein jedes Horrorspiel stellen muss...

Die düstere Atmosphäre des leerstehenden Restaurants, welches Gefahren in jedem unbeobachteten Winkel (und bei jedem Wechsel der Perspektive durch den nächsten Mausklick) vermuten lässt, erzeugt insbesondere beim ersten Durchlauf, bei dem der/die Spieler:in noch keine Ahnung hat, was ihn oder sie erwartet, für immense Spannung. Das ist sogleich die Krux des Horrorgenres – Grusel entsteht vor allem dann, wenn unbekannt ist, wovor man eigentlich Angst hat und in den meisten Fällen lässt der Horror schlagartig nach, sobald sich dies ändert. Dem aus dem Weg zu gehen, indem die Offenbarung ausbleibt, funktioniert wiederum auch nur begrenzt, denn wir neigen dazu, die Geduld zu verlieren, sobald uns auffällt, dass all der Spannungsaufbau nicht belohnt und unsere Neugierde nicht befriedigt wird. Schnell erkennen wir Muster, wir werden desensibilisiert und eine Steigerung muss eintreten, um uns noch bei der Stange zu halten. Die Spannung nicht bloß zu halten, sondern immer weiter zu steigern, ohne den Höhepunkt der Handlung in Form einer Auflösung der Gefahr zu erreichen, ist eine wahre Kunst und das, woran nicht nur Horrorspiele, sondern auch andere Unterhaltungsmedien, die sich an dem Genre versuchen, zuhauf scheitern. Five Nights at Freddy’s ebenso. Zwar funktioniert das Konzept des Spiels sicherlich länger als nur beim ersten Versuch und zunächst trägt das Wissen um den drohenden Schreckmoment, der jederzeit erneut zuschlagen könnte, sogar zur Atmosphäre bei, aber schon zu diesem Zeitpunkt ist der eigentlich ersehnte Grusel einer bloßen „Angst vor dem Erschrecken“ gewichen.

charakter design

Das Design der animatronischen Gegner leistete sicherlich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Erfolg des Spiels. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war der Kontrast zwischen einst als niedlich angedachten Tier-Maskottchen und dem Schrecken, den sie bringen, ein Motiv,

 welches noch relativ neu und unverbraucht war. 

Es gewann schnell an ikonischem Charakter und heutzutage ruft eine solche Darstellung sicherlich schnell eine Assoziation zu Five Nights at Freddy’s hervor. Doch auch das hilft letztendlich nicht dabei, den Nervenkitzel am Leben zu erhalten.

Mehr Störfaktor als Schreckmoment

Mit jedem gescheiterten Versuch werden die Jumpscares mehr und mehr zu einem bloßen Störfaktor und die Frustration, wieder von vorne beginnen zu müssen, verdrängt jegliches Unbehagen, welches beim Anblick der unheimlichen Szenerie und der lauernden Gefahren entstehen sollte. Die Tatsache, dass es sich um ein Horrorspiel handelt, gerät nahezu völlig in Vergessenheit – es geht nur noch darum, die simpel gehaltene Spielmechanik so perfekt wie möglich zu beherrschen.

Der wahre Horror liegt in einem Balanceakt

Im Laufe der Jahre sind viele weitere Teile der Spielserie erschienen und eine komplexe Handlung wurde aufgebaut, die weit über die sparsamen Informationen, die dem/der Spieler:in bei Erscheinen des ersten Teils vorlagen, hinausgeht. Betrachtet man das ursprüngliche Spiel jedoch für sich, leidet der Gruselfaktor nur noch zusätzlich unter einem fehlenden sinnvollen Plot. Ohne nennenswerte Kenntnis über das Gefühlsleben des verkörperten Charakters und die Welt, in die man eintaucht, mag es zwar besonders leicht sein, sich selbst an seine Stelle zu denken, da dort keine Persönlichkeit zu finden ist, die der/die Spieler:in mit seiner eigenen „überschreiben“ müsste, allerdings erscheinen die wenigen gegebenen Informationen so absurd, dass es schwer fällt, sich der Illusion hinzugeben. Fiktion muss natürlich nicht reell sein, aber sie sollte innerhalb der geschaffenen Welt schlüssig und nachvollziehbar sein. Five Nights at Freddy’s schafft dies nur bedingt, erinnert somit immer wieder daran, dass es sich um ein Videospiel handelt und bricht dadurch die gewünschte Immersion, ohne die Grusel kaum möglich ist. Die Türen öffnen und schließen zu müssen, anstatt sie einfach geschlossen zu lassen, weil Letzteres aus unerfindlichen Gründen Strom verbraucht, ergibt beispielsweise nur dann Sinn, wenn man sich der Funktion im Spiel bewusst macht. 

Five Nights at Freddy’s zeigt, mit welchen Problemen sich Entwickler:innen von Horrorspielen konfrontiert sehen. Sie müssen eine Balance zwischen Dingen finden, die oft nur schwer miteinander vereinbar sind, Spielmechaniken kreieren, die Immersion erschaffen, ohne dabei den Spielspaß zu kurz kommen zu lassen und Spannung halten und steigern, ohne zu früh zu viel zu verraten.

Wie und ob es Vertreter des Genres gibt, die diese Balance gefunden haben, gilt es herauszufinden.

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