März 2, 2023

I’m Not Scared #3

"Resident Evil": ein Horrorvideospiel - Klassiker ohne Horror?

Resident Evil ist sicherlich nicht nur Liebhaber:innen des Horrorgenres ein Begriff.
Es ist eine der kultigsten und beliebtesten Horrorvideospielreihen, die nun schon seit 27 Jahren einen festen Platz in der Welt des Gamings hat und bis heute erfolgreich neue Titel zu Tage bringt.
Ein echter Klassiker also – und doch würde der/die ein oder andere wohl behaupten, dass es sich bei der ikonischen Videospielreihe gar nicht (mehr) um einen Vertreter des Genres handelt.
Statt den dafür nötigen Horrorelementen baute Capcom zunehmend Actionelemente ein und lies harteingesottene Fans so oft enttäuscht zurück.

Resident Evil's Anfänge

Doch zurück an den Anfang.
1996 erschien der erste Teil der von Shinji Mikami erfundenen Reihe und obwohl selbst in diesem bereits mehr direkte Konfrontation von Gegner und Spielfigur vorhanden ist, als es im Horrorgenre üblich ist, standen andere Aspekte des Spiels den reinen Kampfszenen damals noch in Nichts nach.
Oft war es mindestens genauso sinnvoll, zu fliehen, wie anzugreifen – und manchmal sogar notwendig.

Die erste, berühmt-berüchtigte Begegnung mit einem Zombie findet beispielsweise zu einem Moment im Spiel statt, in dem wir noch keine Waffen besitzen, mit denen wir uns angemessen verteidigen können. Wir sind wehrlos und können den Gegner eben nicht mit wenigen gezielten Schüssen erledigen. Die Tatsache, dass der/die Spieler:in sich in anderen Situationen (bzw. in den späteren Erscheinungen der Reihe) darauf verlassen kann, stets ausreichend gewappnet zu sein, wenn eines der Monster auftaucht, vermindert den Gruseleffekt gewaltig.

Auch in Resident Evil 2 (1998) und Resident Evil 3: Nemesis (1999) werden zu dem Zeitpunkt, an dem die bloße Existenz von Zombies schon nichts Neues und Erschreckendes mehr ist, Gegner eingeführt, die übermächtig sind und sich selbst mit den stärksten Waffen nicht töten lassen. Sie verfolgen uns über den gesamten Verlauf des Spiels hinweg und selbst, wenn wir es schaffen sollten, sie vorübergehend auszubremsen, wird uns ihre Unbesiegbarkeit vermittelt, indem sie immer wieder aufstehen, sobald wir uns in Sicherheit wiegen.
Letztendlich bleibt uns also nichts anderes übrig, als zu fliehen oder möglichst unbemerkt an dem Gegner vorbeizukommen (im Gaming auch „Stealth“ genannt).

Angst aufgrund von Ressourcenknappheit

Dass die Entwickler von Resident Evil wissen, wie sie die Spieler:innen dazu bringen, sich zu fürchten, zeigten sie in den älteren Teilen der Reihe auch dadurch, dass sie einen Mangel an Ressourcen schufen.
Sowohl Munition, als auch Medizin (in Form von Kräutern) sind begrenzt – das heißt, wenn wir uns zu unbedacht in gefährliche Situationen stürzen, bleiben wir möglicherweise erneut völlig wehrlos zurück. Hinzu kommt, dass wir im Gegensatz dazu, wie es heutzutage in den allermeisten Videospielen die Regel ist, nicht zu jeder Zeit speichern können oder das Spiel gar automatisch gesichert wird. Um zu garantieren, dass unser Spielstand nicht verloren geht, brauchen wir Farbbänder, die ebenfalls nicht unbeschränkt vorhanden sind und müssen die Orte in der Spielwelt finden, an denen eine Schreibmaschine platziert ist, mit der wir unseren Fortschritt festhalten können.

All diese Mechaniken sorgen zwar dafür, dass der/die Spieler:in sicher das ein oder andere Mal frustriert ist, wenn er einen Spielabschnitt nochmal neu bewältigen muss, weil er/sie nicht sparsam genug mit den entsprechenden Ressourcen umgegangen ist oder nicht dazu in der Lage war, rechtzeitig zu speichern – aber sie halten nunmal auch die nötige Spannung am Leben, ein Gefühl von Verletzlichkeit und echter Gefahr, welches für den gewünschten Angsteffekt notwendig ist.

Von Horror zu Action

2009 erschien Resident Evil 5 – der erste Teil der Serie, der so ziemlich all die soeben genannten Spielelemente hinter sich ließ und die Konfrontation mit dem Gegner so sehr in den Mittelpunkt stellt, dass es an manchen Stellen eher an einen Shooter erinnert, als an ein Horrorgame. Munition und Heilmittel sind zwar nicht unbegrenzt, aber im Überfluss vorhanden und der Fortschritt wird per Auto-Save gesichert, ohne, dass der/die Spieler:in etwas dafür tun muss.
Es integrierte außerdem den zur Zeit der Veröffentlichung sehr beliebten Koop-Modus, mit dem zwei Spieler:innen die Spielwelt zusammen erforschen konnten. Natürlich hat diese Art und Weise, ein Spiel zu erleben, viele Vorteile, jedoch machen sie Grusel so gut wie unmöglich. Denn, wenn man niemals wirklich allein ist, fühlt man sich auch niemals wirklich hilflos – der/die Partner:in kann schließlich jederzeit zur Rettung eilen.

Im sechsten Teil (2012) wird das Ganze dann so sehr an die Spitze getrieben, dass manche Szenen 1:1 aus einem Kriegsspiel übernommen sein könnten – mit dem kleinen Unterschied, dass wir nicht gegen Menschen, sondern weiterhin gegen Zombies (die nun teilweise sogar Schusswaffen besitzen und dadurch kaum noch von Soldaten/Innen in einem eben solchen Kriegsspiel zu unterscheiden sind) und andere Monster kämpfen müssen. Diese werden zwar immer größer und imposanter, aber wirken dennoch immer weniger bedrohlich, da wir sie mit immenser Waffengewalt stets ohne größere Probleme ausschalten können.

Mit dem Strom

In eben solchen Szenen wird deutlich, wie sehr sich die Videospielreihe in dieser Phase am Actiongenre bedient und versucht hat, mit dem Hype von Shooter-Spielen mitzuhalten: eindrückliche, reizüberflutende Bilder, Spielmechaniken, die den Fokus auf den Skill im Umgang mit Waffen legen und Handlungen, die so schnell getaktet sind, dass einem kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Bei vielen ist diese Entwicklung auf Begeisterung gestoßen, nur eben überwiegend in einer anderen Zielgruppe, die nicht auf Horror bedacht ist.

Kompromisse und neue Formen von Horror

In den letzten Jahren ist trotz alledem zu beobachten, dass die Reihe sich auf ihre Wurzeln zurückbesinnen, Horror in völlig neuer Form einbinden oder zumindest einen Kompromiss zwischen Angst und Action finden will.
Schon in Resident Evil 6 gab es eine (einzige) Szene, die vermutlich dazu gedacht war, die Fans der Horroratmosphäre der ersten Teile zu besänftigen:

Was hier jedoch im Gesamtkontext des Spiels eher in Vergessenheit gerät, wird in den nächsten Erscheinungen schon etwas prominenter.
Resident Evil 7: Biohazard (2017) versucht sich zu Beginn des Spiels mit seiner Version eines Spukhauses an einer neuen Variante von Horror. Paranormaler und psychologischer Horror war sonst eher ein Markenzeichen von Silent Hill – der zweiten, ikonischen Horrorvideospielreihe aus den Neunzigern, die ein paar Jahre vor Resident Evil 7 mit Silent Hill: P.T. (2014) erneut einen massiven Hype ausgelöst und viele, darauf folgende Vertreter des Genres (so wohl auch Resident Evil 7) inspiriert hat.

Silent Hill widme ich mich ausführlich in einem anderen Beitrag, deshalb sei hier nur zu Verständniszwecken erwähnt, dass P.T. sich in einem Flur voller in kleinsten Details versteckten Geheimnissen abspielt, während die ein oder andere übernatürliche Begebenheit dem/der Spieler:in das Fürchten lehrt. Ein ähnliches Feeling scheint Resident Evil 7 erzeugen zu wollen, indem wir das Gebäude mit einem Film-Team, welches sich für paranormale Begebenheiten interessiert, erforschen und dabei viele unheimliche Entdeckungen machen können, wenn wir nur aufmerksam genug sind.

Jedoch fragt man sich nicht nur in diesem Abschnitt des Spiels, sondern auch später, als wir in eben jenem Haus von der grausigen Baker-Familie gefangengehalten werden und uns wie zu Ursprungszeiten der Videospielreihe in einer Situation wiederfinden, in der wir dem Feind hilflos ausgeliefert sind, was das eigentlich noch mit Resident Evil zutun hat. Die Verbindung zur eigentlichen Hintergrundgeschichte des Franchises wirkt ziemlich konstruiert und so spannend und unterhaltsam der siebte Teil der Reihe auch ist, scheint er sich in Sachen Horror stark an Spielelementen zu bedienen, die im genannten Zeitraum für andere Horrorspiele gut funktioniert haben. Erneut richteten sich die Entwickler:innen also eher danach, was populär ist bzw. war, statt ihre eigene, spezifische Interpretation des Genres, die Gamer:innen in den Neunzigern weltweit begeistert hat, beizubehalten und/oder weiterzuentwickeln.

Rückbesinnung auf den Ursprung

Das Gefühl von Nostalgie, auf das all diese Liebhaber:innen des Franchises, so viele Jahre gewartet haben, kam letztendlich in Form von Remakes.

Schon die Neuauflage des ersten Teils, die 2015 erschien, ließ die Herzen all derjenigen, die das Spiel noch aus den Neunzigern kannten, höher schlagen, doch spätestens mit der überarbeiteten Version von Resident Evil 2 konnten auch neue Fans sich für die Atmosphäre der Klassiker begeistern.

Tyrant/Mr. X im Remake von Resident Evil 2

Die Aspekte des Spiels, die damals Unbehagen aufkommen ließen, wurden nur leicht angepasst und teilweise sogar verbessert.
So kündigt sich der zuvor erwäkündigt sich der zuvor erwähnte, unbesiegbar erscheinende Gegner namens Tyrant bzw. Mr. X nun mit schweren, bedrohlich klingenden Schritten an, welche schon aus relativ weiter Entfernung wahrgenommen werden können und stetig lauter werden, je näher er kommt. Obwohl sein Charakterdesign relativ schlicht gehalten ist und er eigentlich bloß wie ein recht großer, breit gebrauter Mensch daherkommt, sorgt die Tatsache, dass er uns (im Gegensatz zum Original, in dem er nur in bestimmten, zuvor festgelegten Momenten erscheint) konstant verfolgt, dafür, dass es scheint, als könne das Geräusch seiner Schritte zu jedem Zeitpunkt wieder das unangenehme Gefühl heraufbeschwören, dass er die Suche nach uns nicht aufgegeben hat und unmittelbar in der Nähe ist.

Es dauert nicht lang und das Spiel hat uns so konditioniert, dass wir uns nirgendwo mehr sicher fühlen und unsere Umgebung nicht mehr untersuchen können, ohne angespannt zu lauschen. Wir assoziieren ein bloßes Geräusch mit Gefahr und brauchen gar keine eindrücklich gestalteten Monster mehr, um uns zu fürchten.

Kontrast zwischen Stille und Aufregung

Die Remakes bringen außerdem die stillen Augenblicke der ersten Teile zurück.
Ein entscheidender Aspekt, der die Atmosphäre dieser ausgemacht hat, sind die Abschnitte, in denen wir eben nicht im Kampfmodus sind, sondern uns ausgiebig kniffligen Rätseln widmen, mit deren Lösung wir u.a. versuchen, in unzugängliche Bereiche vorzudringen. Diese Momente werden in den späteren Teilen nahezu vollkommen ausgelöscht und durch unablässige Action und eine dementsprechende Geräuschkulisse ersetzt, wie beispielsweise in dieser Szene aus Resident Evil 6, die auch aus Fast & Furious stammen könnte:

Nur, wenn Ruhe einkehrt und/oder wir ein (falsches) Vertrauen in eine Umgebung entwickeln, die wir langsam aber sicher kennenlernen, können Schreckmomente wie der berüchtigte Hunde-Jumpscare aus Resident Evil 1 wirklich gut funktionieren. Was diesen so erschreckend macht, lässt sich in dem beigefügten Video kaum übermitteln, da er von dem Umstand lebt, dass wir diesen Flur bereits etliche Male entlanggelaufen sind, ohne, dass je etwas passiert wäre – und genau dann, wenn wir uns in Sicherheit wiegen, werden wir kalt erwischt.

Der Effekt von Musik

Unsere Wachsamkeit lässt in den ersten Teilen der Reihe und in den Remakes auch deshalb oft nach, weil wir zuvor in eben einem dieser stillen Momente von beruhigender Musik eingelullt wurden.
Der Soundtrack von Resident Evil bestand in den ersten Teilen aus einem Mix aus sanften Klängen, dem kompletten Ausbleiben von Musik und nervenaufreibendem Sound, der sicherlich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu leistet, den Horroreffekt zu verstärken:

Der perfekte Kompromiss?

Der jüngste Vertreter der Reihe bzw. der Rahmengeschichte erschien 2021.
Resident Evil 8: Village scheint bis dato der erfolgreichste Versuch eines Kompromisses zu sein, der alle zuvor aufgezählten Entwicklungsschritte in gewisser Weise vereint.
Es gibt eine Villa voller Mysterien und zunächst verschlossener Räume, die sehr an die aus den ersten Teilen bekannte Struktur erinnern – jedoch kopiert es nicht (zumindest nicht ausschließlich) altbekannte Rätselschemata, sondern hebt das Ganze auf ein neues Level, indem die Spielwelt sich auf ein ganzes Dorf ausbreitet und somit beinahe an ein Open World Game erinnert.
Ein Abschnitt des Spiels bringt nicht nur die Wehrlosigkeit des/der Spielers/Spielerin zurück, sondern auch das Silent Hill-Feeling bzw. den psychologischen Horror aus dem siebten Teil: Wir werden all unserer Waffen und Heilmittel entledigt und müssen so völlig schutzlos unseren Weg durch ein von unheimlichen Puppen heimgesuchtes Gebäude finden. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze, wenn wir einem überdimensionalen, entstellten Baby ausgeliefert sind und diesmal sogar die Möglichkeit zur Flucht erst dann gegeben ist, wenn wir die dafür nötigen Aufgaben trotz der Präsenz der angsteinflößenden Gestalt, erfüllt haben:

Das Alleinstellungsmerkmal von Resident Evil

Gegen Ende des Spiels erinnert Resident Evil 8: Village dann doch wieder an einen Shooter – vermutlich um auch die Zielgruppe, die die actiongeladeneren Versionen favorisierte, glücklich zu machen. Da der Kompromiss in diesem Fall jedoch zugunsten der Klassiker aus den Neunzigern ausgefallen ist, leidet die von Fans der ersten Teile ersehnten Atmosphäre im Großen und Ganzen nicht allzu sehr darunter.

Letztendlich fehlen auch diesem Spiel einige Komponenten bzw. die nötige Konsequenz, um die Videospielreihe Resident Evil wirklich noch uneingeschränkt dem Horrorgenre zuschreiben zu können – aber vielleicht ist das auch gar nicht (mehr) der Anspruch der Entwickler:innen.
Vielleicht ist das, was Resident Evil ausmacht, nicht der Horror, sondern eben diese Fähigkeit, sich an aktuelle Gaming-Trends anzupassen und viele verschiedene Genres zu vereinen.

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