Januar 31, 2024

02. Stadtgeschichte für Anfänger

Wer heute in der Kölner Südstadt spazieren geht, der kommt unweigerlich an einer großen Baustelle in der Severinstraße vorbei. Dort, wo heute ein großes Loch inmitten der dichtbebauten Stadt klafft, stand bis zum dritten März 2009 das Kölner Stadtarchiv. Bauarbeiten an der U-Bahn führten vor rund 15 Jahren dazu, dass der Boden unter dem Gebäude einsackte. Zwei Menschen starben bei dem Unglück und Zeugnisse aus über 1000 Jahren Stadtgeschichte schienen verloren. 

Die Bergungsarbeiten des Archivguts dauerten rund zweieinhalb Jahre und wurden im August 2011 beendet. Knapp 95 Prozent des Bestands konnte gefunden werden. Es wird jedoch noch viele Jahre dauern, bis das Material wieder zugänglich sein wird. An der Restaurierung arbeiten aktuell mehr als 200 Menschen und sie wird vermutlich 30 Jahre dauern. 

Der Einsturz des Stadtarchivs ist nicht nur ein besonders trauriges Kapitel der Kölner Geschichte. Vielmehr zeigt es auch die enorme Masse historisches Wissen, welches in dieser Stadt steckt und an diesem Tag verschüttet wurde. In diesem Post werdet ihr einige Ausschnitte der Kölner Stadtgischte kennenlernen, die die Kölner:innen besonders geprägt haben. 

Einen kleinen Einstieg hierfür bietet uns Matthias Lammers, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kölnischen Stadtmuseums: 

Köln im Nationalsozialismus

Kölner:innen gelten als weltoffene, tolerante Menschen. Deswegen hielt sich auch lange der Mythos, dass sich die Kölner Stadtbevölkerung gegen die NSDAP gewehrt hätte. Mit der Wahrheit hat dieser Mythos jedoch wenig zu tun. Am 13. März 1933 übernahmen die Nationalsozialisten in Köln die Macht und begannen die Gleichschaltung. Widerstand aus der Bevölkerung gab es dabei kaum. Zehntausende Kölner:innen waren aktive Mitglieder der NSDAP und vom Bahnhof Deutz-Tief wurden zwischen 1941 und 1945 zahlreiche Menschen deportiert. 

Heute zeugt besonders das El-De-Haus (Gesprochen: L-D-Haus) am Appellhofplatz von Kölns dunkler Vergangenheit. Das Haus des Bauherrn Leopold Dahmen wurde ab 1935 als Gebäude für die Kölner Gestapo genutzt. In den Büroräumen arbeiteten die Mitarbeiter, in den Zellen im Keller wurden Menschen verhört und gefoltert. 

Außenansicht des EL-DE-Hauses Appellhofplatz 23-25/Ecke Elisenstraße Foto: Jörn Neumann
Gedenkstätte Gestapogefängnis Foto: Rheinisches Bildarchiv/Marion Mennicken (rba_d018325_33)

Auch der Karneval wurde gleichgeschaltet. So gab es während der NS-Zeit zum ersten und einzigen Male eine weibliche Jungfrau im Kölner Dreigestirn. Die übliche Darstellung der Jungfrau durch einen Mann in Perücke und Kleid passte nicht zu der Ideologie der Nationalsozialisten. Auch die Karnevalssitzungen mit den Büttenrednern, den Komikern des Karnevals, wurden gleichgeschaltet. 

Bildquelle: Festkomitee Kölner Karneval.

Der einzige bekannte Karnevalist, der sich gegen das System stellte, hieß Karl Küpper. Er traute sich Witze über die politische Führung und ihre Symbolik zu machen.  Seine Beliebtheit beim Publikum schützte ihn einige Jahre, bevor er 1939 ein lebenslanges Redeverbot erhielt. Das Schicksal des Karnevalisten Karl Küpper zeigt aber nicht nur, den Druck auf Kreative im nationalsozialistischen Deutschland, sondern auch in der Nachkriegszeit. Nach dem Ende des Krieges kehrte Küpper auf die Kölner Bühnen zurück. Wieder eckte er an und sprach die Verstrickungen der Gesellschaft und der Politik mit der NSDAP an. 1952 wurde er daher erneut von den Bühnen des Kölner Karneval verbannt.

Und auch das El-De-Haus wurde zunächst zu einem Verwaltungsgebäude umfunktioniert. Es beherbergte das Kölner Standesamt, sodass dort geheiratet wurde, wo Jahre zuvor Menschen gefoltert und hingerichtet wurden. Wie wenig die nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet wurde, zeigt auch dieser Ausschnitt einer Karnevalsveranstaltung im Jahr 1973: 

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Erst im letzten Viertel des Jahrhunderts entdeckten die Kölner:innen die Weltoffenheit und Toleranz wieder, für die die Kölner:innen bekannt sind. 1981 entstand im El-De-Haus ein pädagogisches Zentrum zur Dokumentation des Nationalsozialismus in Köln. Auch heute kann man die damals entstandene Dauerausstellung mit dem Thema „Köln im Nationalsozialismus“, sowie die Gefängniszellen im Keller des Gebäudes besichtigen. Auch die Kölner Kultur fand ihre Stimme gegen Intoleranz wieder. Besonders bekannt ist hierbei das „Arsch hu – Zäng ussenander“ (Arsch hoch – Zähne auseinander) – Konzert aus dem Jahr 1992. Hier spielten die großen Kölner Bands vor rund 100.000 Zuhörenden gegen die aufkeimende Ausländerfeindlichkeit und den Rechtsruck. 

 

Der Einfluss des „Arsch hu – Zäng ussenander“-Konzert hält sich bis heute. Bildquelle: Festkomitee Kölner Karneval.

Köln und die Gastarbeitenden

Römische Soldaten, Handwerker, die am Dom arbeiteten, französische Revolutionstruppen, Preußische Herrscher – Köln hat schon immer Menschen aus den verschiedensten Ecken der Welt angezogen und viele von ihnen sind geblieben. Der Kölsche Stammbaum ist daher durch Vielfältigkeit geprägt, was sich auch in diesem Lied der Bläck Fööss zeigt: 

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Besonders prägend war für Köln daher auch die Ankunft der Gastarbeitenden in der Nachkriegszeit. In Köln und München kamen zahlreiche Menschen an, die von dort aus in die gesamte Bundesrepublik zogen. Sie leisteten für Unternehmen meist körperlich anstrengende oder eintönige Arbeit. In Köln kamen zunächst besonders spanische und portugiesische Arbeitskräfte an. Später bildeten Menschen aus der Türkei die größte Gruppe. 1980 lebten über 141.000 Menschen mit Migrationsgeschichte in Köln. Ein großer Teil der Menschen blieb in Köln, sie bauten sich hier ein Leben auf und sind heute fester Bestandteil des Kölschen Stammbaums. 

Köln heute - eine Medienstadt

Ende der 1980er Jahre traf Radio Luxemburg eine wichtige Entscheidung für die Stadt Köln. Die Stadt am Rhein sollte der Geschäftssitz des neuen deutschsprachigen Fernsehsenders RTL werden. Neben dem West Deutschen Rundfunk waren so zwei große Medienhäuser in Köln angesiedelt. 

Köln gilt heute als Medienstadt. Neben dem WDR und RTL, sitzen auch VOX und ntv in Köln. Darüber hinaus wurde auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Gereon der MediaPark gebaut, ein großer Platz mitten in der Kölner Innenstadt. Dort gibt es zahlreiche Büros, in denen Firmen der Medienbranche sitzen und den Cinedom, ein großes Kino, in dem regelmäßig Film-Premieren stattfinden. Auch die äußeren Bezirke Kölns zeugen von der Macht der Medien in der Stadt. Sowohl in Ossendorf, Hürth als auch in Bocklemünd sind Studios, in denen Fernseh- und Filmproduktionen entstehen. 

Der Cinedom im Mediapark

Tipp für Imis

Ihr wohnt in Köln? Dann sind an jeden ersten Donnerstag im Monat die Museumsbesuche für euch kostenlos! Nutzt die Chance und lernt kostenfrei die Kölner Kultur und Stadtgeschichte hautnah kennen. 

Quellen

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